"Wir Christen müssen um dieses Europa kämpfen, denn wir werden kein zweites bekommen." Rocco Buttiglione

Beispiele für Stellungnahmen des kirchlichen Lehramtes zu Sterbehilfe

Beispiele für Stellungnahmen des kirchlichen Lehramtes zu Sterbehilfe

Aus der pastoralen Konstitution Gaudium et Spes 27:

„Was ferner zum Leben selbst in Gegensatz steht, wie jede Art Mord, Völkermord, Abtreibung, Euthanasie und auch der freiwillige Selbstmord; was immer die Unantastbarkeit der menschlichen Person verletzt, wie Verstümmelung, dem Leib oder der Seele auferlegte Foltern und der Versuch, psychischen Zwang auszuüben; was immer die menschliche Würde angreift, wie untermenschliche Lebensbedingungen, willkürliche Verhaftung, Verschleppung, Sklaverei, Prostitution, Mädchenhandel und Handel mit Jugendlichen, sodann auch unwürdige Arbeitsbedingungen, bei denen die Arbeiter als bloßes Erwerbsmittel, nicht als freie und verantwortliche Personen behandelt werden: all dies und anderes Derartiges ist ohne Frage eine Schande, und indem es die menschliche Zivilisation zersetzt, entwürdigt es mehr jene, die sich so verhalten, als jene, die das Unrecht erleiden, und widerspricht in höchstem Maße der Ehre des Schöpfers.“

Aus der Erklärung der Glaubenskongregation zur Abtreibung »Quaestio de abortu procurato«, 18. Nov. 1974

„Das erste Recht der menschlichen Person ist das Recht auf Leben. Es gibt für sie zwar noch andere Güter, von denen manche gewiß wertvoller sind, aber das Recht auf Leben ist Grundlage und Bedingung der übrigen und daher mehr als die übrigen zu schützen. Der Gesellschaft oder der öffentlichen Autorität, welches auch immer ihre Form ist, steht es in keiner Weise zu, dieses Recht den einen vorzubehalten, den anderen aber zu entziehen: jeder derartige sowohl aufgrund der Rasse oder des Geschlechts als auch aufgrund der Hautfarbe oder der Religion gemachte Unterschied ist immer ungerecht. Dieses Recht geht nämlich nicht aus einem fremden Gnadenerweis hervor, sondern es geht jedem Gnadenerweis voran und fordert daher, daß es anerkannt wird; wenn es verweigert wird, wird die strenge Gerechtigkeit verletzt.“

Erklärung der Glaubenskongregation »Iura et bona«, 5. Mai 1980

II. Euthanasie

Mit dem Namen »Euthanasie« wird eine Handlung oder Unterlassung bezeichnet, die ihrer Natur nach oder aus bewußter Absicht den Tod herbeiführt, um auf diese Weise jeden Schmerz zu beenden. Bei Euthanasie dreht es sich also wesentlich um den Vorsatz des Willens und um die Vorgehensweisen, die angewandt werden.

Nun ist aber erneut nachdrücklich zu erklären, daß niemand und nichts in irgendeiner Weise zulassen kann, daß ein unschuldiges menschliches Lebewesen getötet wird, sei es ein Fötus oder ein Embryo, ein Kind oder ein Erwachsener, ein Greis, ein von einer unheilbaren Krankheit Befallener oder ein im Todeskampf Befindlicher. Außerdem ist es niemandem erlaubt, diese todbringende Handlung für sich oder für einen anderen, der seiner Verantwortung anvertraut ist, zu erbitten, ja man darf in eine solche Handlung nicht einmal explizit oder implizit einwilligen. Auch kann sie keine Autorität rechtmäßig auferlegen oder erlauben.

Es handelt sich nämlich um die Verletzung eines göttlichen Gesetzes, um die Beleidigung der Würde der menschlichen Person, um ein Verbrechen gegen das Leben, um einen Anschlag auf das Menschengeschlecht.

Es kann vorkommen, daß wegen langanhaltender und kaum erträglicher Schmerzen, aus Gründen, die auf Affekten der Seele beruhen, oder aus andersartigen Gründen manche zur Überzeugung gelangen, sie könnten rechtmäßig den Tod für sich fordern oder anderen zufügen. Obwohl sich in diesen Fällen die Schuld des Menschen verringern oder überhaupt fehlen kann, so ändert doch der Irrtum im Urteil, in den das Gewissen – vielleicht guten Glaubens – gerät, nicht die Natur dieses todbringenden Aktes, der seiner selbst wegen stets zu verwerfen sein wird.

Die flehentlichen Bitten von Schwerstkranken, die bisweilen den Tod erbitten, sind nicht so zu verstehen, als ob sie den wirklichen Willen zur Euthanasie zum Ausdruck brächten; es handelt sich nämlich fast immer um ängstliche Bitten um Hilfe und Liebe. Außer den ärztlichen Bemühungen ist das, wessen der Kranke bedarf, Liebe, ist glühende menschliche und übernatürliche Zuneigung des Herzens, mit der ihn alle Nahestehenden, Eltern und Kinder, Ärzte und Krankenpfleger, umfangen können und müssen.…

…Wenn andere Mittel nicht zur Verfügung stehen, ist es erlaubt, mit Zustimmung des Kranken Mittel anzuwenden, die die neuesten Erkenntnisse der Medizin hervorgebracht haben, auch wenn sie noch nicht genügend durch Experimente erprobt und nicht ohne jede Gefahr sind.…

Ebenso ist es immer dann erlaubt, die Anwendung dieser Mittel abzubrechen, wenn das Ergebnis die in diese gesetzte Hoffnung nicht erfüllt. Beim Treffen einer solchen Entscheidung soll aber Rücksicht genommen werden auf den berechtigten Wunsch des Kranken und seiner Angehörigen sowie auf das Urteil von Ärzten, die wahrhaft erfahren sind…

Immer erlaubt ist es, sich mit den gewöhnlichen Heilmitteln zu begnügen, die die Medizin zur Verfügung stellen kann. Deswegen kann keinem die Verpflichtung auferlegt werden, ein Heilverfahren anzuwenden, das, auch wenn es schon in Gebrauch ist, trotzdem noch nicht ohne Gefahr oder allzu beschwerlich ist. Eine solche Verweigerung eines Heilmittels ist nicht mit Selbstmord gleichzusetzen: vielmehr ist sie sogar für eine schlichte Annahme der menschlichen Daseinsbedingung zu halten…

… Bei drohendem Tod, der trotz der Anwendung von Heilmitteln auf keine Weise verhindert werden kann, ist es erlaubt, aus Gewissensgründen den Entschluß zu fassen, auf weitere Heilversuche zu verzichten, die nur eine ungewisse und schmerzvolle Verlängerung des Lebens bewirken könnten, ohne daß man jedoch die normalen Bemühungen unterläßt, die in ähnlichen Fällen dem Kranken geschuldet werden.“

Aus Johannes Paul II »Donum vitae«, 22.02.1987

„Das menschliche Leben ist als etwas Heiliges anzusehen, da es ja schon von seinem Anfang an »das Handeln des Schöpfers erfordert« und immer in einer besonderen Beziehung mit dem Schöpfer, seinem einzigen Ziel, verbunden bleibt. Einzig Gott ist der Herr des Lebens vom Anfang bis zum Ende: Niemand kann sich – unter keinen Umständen – das Recht anmaßen, einem unschuldigen menschlichen Geschöpf direkt den Tod zuzufügen.“

Aus der ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II. AN DIE DEUTSCHEN BISCHÖFE AUS DEM SÜDWESTDEUTSCHEN RAUM ANLÄSSLICH IHRES «AD-LIMINA»-BESUCHES Samstag, 19. Dezember 1992

„4. An dieser Stelle möchte ich noch von einer anderen Herausforderung sprechen, die auf uns Christen in Europa in den nächsten Jahren zukommen wird und die die Würde des Menschen zutiefst berührt. Wir erleben, dass immer mehr Menschen mit dem Tod nichts anzufangen wissen, ja ihr Leben so gestalten, dass die letzte Frage verdrängt wird. Unsere modernen säkularisierten Gesellschaften laufen Gefahr, Leiden, Sterben und Tod aus dem persönlichen Lebensbereich regelrecht auszublenden. Da aber im Leben nichts sicherer ist als der Tod, beobachten wir als Folge dieses Verdrängungsprozesses viel Hilflosigkeit und Verzweiflung angesichts des Todes. Das problematische Sprechen von Sterbehilfe gewinnt in diesem Zusammenhang vielfach eine ganz neue Bedeutung. In Europa scheint die Vorstellung immer mehr Anhänger zu finden, dass es menschlich erlaubt sein könne, dem eigenen Leben und dem Leben eines anderen Menschen bewusst ein Ende zu setzen. Der Begriff der Euthanasie hat längst bei vielen jenen schrecklichen Klang verloren, den ihm die grausamen Geschehnisse im dunkelsten und betrüblichsten Kapitel der Geschichte Eures Landes verliehen hatten. Selbstmord und Mord werden heute bereits wieder durch Bezeichnungen wie Freitod und Sterbehilfe verharmlost.

Wenn es Euch gelingt, in Deutschland rechtzeitig weitere Hospize als Inseln der Humanität einzurichten, werdet Ihr verhindern, dass sich jene durchsetzen, die nur vorgeben, sterbenden Menschen zu helfen, in Wahrheit aber vor dieser Herausforderung kapitulieren, indem sie mit Todespillen Hilfe beim Sterben in Hilfe zum Sterben pervertieren. Der sterbende Mensch will keine Tablette, um dann alleingelassen zu werden, sondern echte Hoffnung, menschliche Nähe und eine haltende Hand. Ermuntert Eure Gläubigen, diese wirklich christliche Aufgabe wahrzunehmen. Denn die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Aus Johannes Paul II »Evangelium vitae«, 25.03.1995

„15: Nicht minder schwerwiegende Bedrohungen kommen auch auf die unheilbar Kranken und auf die Sterbenden in einem Sozial- und Kulturgefüge zu, das bei einer sich immer schwieriger gestaltenden Auseinandersetzung mit dem Leiden und seinem Ertragen die Versuchung verstärkt, das Problem des Leidens dadurch zu lösen, daß man es an der Wurzel ausreibt und den Tod in dem Augenblick vorwegnimmt, den man selbst für den geeignetsten hält.

In diese Entscheidung fließen oft verschiedene Elemente ein, die leider diesem schrecklichen Ausgang zustreben. Entscheidend mag beim Kranken Angstgefühl sowie das Gespür von Verbitterung, ja Verzweiflung sein, hervorgerufen durch die Erfahrung eines intensiven und langen Schmerzes. Dies stellt das manchmal ohnehin schon ins Wanken geratene Gleichgewicht des persönlichen und familiären Lebens auf eine harte Probe, so daß der Kranke einerseits trotz der immer wirksamer werdenden Mittel medizinischer und sozialer Assistenz Gefahr läuft, sich von der eigenen Gebrechlichkeit erdrückt zu fühlen; andererseits kann bei denen, die ihm liebevoll verbunden sind, ein Gefühl verständlichen, wenn auch mißverstandenen Mitleids wirksam sein. Dies alles wird von einem kulturellen Umfeld verschlimmert, das im Leid keinerlei Bedeutung oder Wert sieht; im Gegenteil, es betrachtet das Leid als das Übel schlechthin, das es um jeden Preis auszumerzen gilt; diese Haltung tritt vor allem dann ein, wenn man keine religiöse Einstellung hat, die helfen kann, das Geheimnis des Schmerzes positiv zu deuten.

Aber es wird nicht versäumt, dem kulturellen Gesamthorizont auch eine Art Prometheushaltung des Menschen einzuprägen, der sich derart der Illusion hingibt, Herr über Leben und Tod werden zu können, daß er über sie entscheidet, während er in Wirklichkeit von einem Tod überwunden und erdrückt wird, der sich jeder Sinnperspektive und jeder Hoffnung unrettbar verschließt. Einem tragischen Ausdruck von alledem begegnen wir in der Verbreitung der maskiert und schleichend oder offen durchgeführten und sogar legalisierten Euthanasie. Sie wird mit einem angeblichen Mitleid angesichts des Schmerzes des Patienten und darüber hinaus mit einem utilitaristischen Argument gerechtfertigt, nämlich um unproduktive Ausgaben zu vermeiden, die für die Gesellschaft zu belastend seien. So schlägt man die Beseitigung der mißgestalteten Neugeborenen, der geistig und körperlich Schwerstbehinderten, der Leistungsunfähigen, der Alten, vor allem wenn sie sich nicht mehr selbst versorgen können, und der Kranken vor, deren Leben zu Ende geht. Und auch angesichts anderer, heimlicherer, aber nicht minder schwerwiegender und realer Formen von Euthanasie dürfen wir nicht schweigen. Sie könnten sich zum Beispiel dann ereignen, wenn man, um mehr Organe für Transplantationen zur Verfügung zu haben, die Entnahme dieser Organe vornimmt, ohne die objektiven und angemessenen Kriterien für die Feststellung des Todes des Spenders zu respektieren.“

Aus der ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI. Empfangssaal der Hofburg, Wien Freitag, 7. September 2007

„Das grundlegende Menschenrecht, die Voraussetzung für alle anderen Rechte, ist das Recht auf das Leben selbst. Das gilt für das Leben von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende. Abtreibung kann demgemäß kein Menschenrecht sein – sie ist das Gegenteil davon. Sie ist eine „tiefe soziale Wunde“, wie unser verstorbener Mitbruder Kardinal Franz König zu betonen nicht müde wurde.

Mit großer Sorge erfüllt mich auch die Debatte über eine aktive Sterbehilfe. Es ist zu befürchten, daß eines Tages ein unterschwelliger oder auch erklärter Druck auf schwerkranke und alte Menschen ausgeübt werden könnte, um den Tod zu bitten oder ihn sich selber zu geben. Die richtige Antwort auf das Leid am Ende des Lebens ist Zuwendung, Sterbebegleitung – besonders auch mit Hilfe der Palliativmedizin – und nicht „aktive Sterbehilfe“. Um eine humane Sterbebegleitung durchzusetzen, bedürfte es freilich struktureller Reformen in allen Bereichen des Medizin- und Sozialsystems und des Aufbaus palliativer Versorgungssysteme. Es bedarf aber auch konkreter Schritte: in der psychischen und seelsorglichen Begleitung schwer Kranker und Sterbender, der Familienangehörigen, der Ärzte und des Pflegepersonals. Die Hospizbewegung leistet hier Großartiges. Jedoch kann nicht das ganze Bündel solcher Aufgaben an sie delegiert werden. Viele andere Menschen müssen bereit sein bzw. in ihrer Bereitschaft ermutigt werden, sich die Zuwendung zu schwer Kranken und Sterbenden Zeit und auch Geld kosten zu lassen.“

Aus  der ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI. AN DIE TEILNEHMER AN DEM VON DER PÄPSTLICHEN AKADEMIE FÜR DAS LEBEN VERANSTALTETEN KONGRESS "AN DER SEITE DES UNHEILBAR KRANKEN UND STERBENDEN MENSCHEN: ETHISCHE UND PRAKTISCHE LEITLINIEN" Clementina-Saal Montag, 25. Februar 2008

„Wie ich in der Enzyklika Spe salvi erwähnt habe, »bestimmt sich das Maß der Humanität ganz wesentlich im Verhältnis zum Leid und zum Leidenden. Das gilt für den einzelnen wie für die Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die die Leidenden nicht annehmen und nicht im Mit-leiden helfen kann, Leid auch von innen zu teilen und zu tragen, ist eine grausame und inhumane Gesellschaft« (Nr. 38). In einer komplexen und stark von der Dynamik der Produktivität und den Bedürfnissen der Wirtschaft beeinflußten Gesellschaft laufen die schwachen Menschen und die ärmeren Familien in Momenten wirtschaftlicher Schwierigkeiten und/oder Krankheit Gefahr, überrannt zu werden. In den großen Städten sehen sich alte und alleinstehende Menschen immer häufiger auch dann allein gelassen, wenn sie schwer krank sind und im Sterben liegen. In solchen Situationen verschärft sich für diese Menschen der auf Sterbehilfe ausgerichtete Druck, vor allem dann, wenn sich eine utilitaristische Auffassung vom Menschen einschleicht. In diesem Zusammenhang nutze ich die Gelegenheit, noch einmal gemäß der jahrhundertealten Lehre der Kirche die feste und bleibende ethische Verurteilung jeder Form von direkter Euthanasie zu bekräftigen.“

Aus der ANSPRACHE VON PAPST BENEDIKT XVI. Augustinerkloster Erfurt Freitag, 23. September 2011

„Wir leben in einer Zeit, in der die Maßstäbe des Menschseins fraglich geworden sind. Ethik wird durch das Kalkül der Folgen ersetzt. Demgegenüber müssen wir als Christen die unantastbare Würde des Menschen verteidigen, von der Empfängnis bis zum Tod – in den Fragen der Pränatalen Implantationsdiagnostik bis zur Sterbehilfe.“

 

Aus Papst Franziskus Botschaft zum Tag der Kranken am 11. Februar 2020:

„Deshalb soll euer Handeln immer auf die Würde und das Leben der Person ausgerichtet sein, ohne Zugeständnisse an wie auch immer geartete Formen der Euthanasie, des assistierten Selbstmordes oder der Beendigung des Lebens, selbst wenn keine Aussicht auf Heilung der Krankheit besteht.“